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Endlich mehr Tageslicht im Schulbau!

 Wien, im Mai 2018._Zahlreiche österreichische Schulen datieren noch auf Josef II und weisen die Stärken und Schwächen dieser Bauepoche auf. Und auch die in den folgenden über 200 Jahren errichteten Bildungsgebäude spiegeln die Wertigkeiten, Trends und den Wissensstand ihres Zeitalters wider. Was sich in all der Zeit nicht geändert hat, ist der wesentliche Einfluss von Tageslicht auf Leistung und Lernerfolge.

So sehr sich Architektur, Klassengrößen und Unterrichtsformen geändert haben, so einig waren und sind sich Experten hinsichtlich der Bedeutung von natürlichem Licht. Ing. Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik in Österreich: „Wer kennt nicht die alten Schulen, deren große Fenster die hohen Klassenräume mit Tageslicht durchfluten. Und dieses Tageslicht ist ein wesentlicher Lernfaktor!“ Die von Gerstmann angesprochenen Klassenräume brauchen wenig Kunstlicht. Dafür jedoch umso mehr Heizwärme. Gerstmann: „Seit ein paar Jahrzehnten leistet man sich im Schulbau jedoch weder den Luxus immenser Heizwärmeverluste noch den Luxus großer Kubaturen. Bei einer Erweiterung oder Sanierung einer alten K+K-Schule bringt man bei gleicher Gebäudehöhe nun drei statt vier Geschoße unter. Zusätzlich wird die Gebäudehülle und damit auch deren Fenster mit dem entsprechenden Wärmeschutz ausgestattet. Das spart zwar Energie, geht aber zu Lasten der Versorgung mit Tageslicht während der Schulstunden. Und das wiederum mindert  die Vitalität und Leistungsfähigkeit!“ Diese leistungsfördernde Wirkung wurde mittlerweile in zahlreichen Studien erforscht und belegt.*)
ECOFYS, ein führendes Beratungsunternehmen in den Bereichen Energie und Klima mit Sitz in Köln, hat sich die Belichtung von Räumen in Abhängigkeit der Fensterentwicklung angesehen. Demnach sinkt – bedingt durch höheren Rahmenanteil, verminderte Lichttransmission beschichteter Gläser und erhöhte Laibungstiefen – beim Austausch alter auf energiesparende, neue Fenster die Tageslichtversorgung um bis zu 30 %! Eine Kompensation dieses Verlustes, der natürlich den Energieverbrauch für die Beleuchtung erhöht, erfolgte seitens der Baugesetze jedoch nicht. Denn im Energieausweis muss - im Gegensatz zum Heizwärme- und Kühlenergiebedarf – der Bedarf für Kunstlicht nicht nachgewiesen werden.
Die Bauphysik schreibt in der Regel für transparente Bauteile den Energiedurchlassgrad (g-Wert) und den Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) vor, aber keinen Kennwert für die eigentliche Funktion von Fenstern, nämlich die Qualität der Sichtverbindung und der Belichtung. Gerstmann: „Ein Manko in der Planung! Tageslicht ist zwar keine nachhaltige Energie, eine suboptimale Nutzung erhöht jedoch den Energieverbrauch!“

Schulbau: Tageslicht bekommt höchste Priorität!

Schulen haben von jeher größere Lichteintrittsflächen als es der Mindeststandard für Wohn- und Bürobauten vorgibt. Dennoch kommt es durch den Einsatz komplexer Verglasungen dazu, dass Lichtversorgung und Tageslichtqualität deutlich beeinträchtigt werden. Der wichtige Aspekt der Energievermeidung beim Heizen und Kühlen geht nicht selten zu Lasten der Lichtversorgung und Lichtqualität. Daher bedurfte es einer gewissen Rückbesinnung, um die eigentliche Funktion von Fenstern und Verglasungen in den Vordergrund zu rücken: Sicht und Licht!
Das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau, kurz ÖISS **), hat Anfang Februar 2018 die überarbeitete Richtlinie für die Belichtung und Beleuchtung von Schulen veröffentlicht. Darin wurde die Bedeutung von Sonne und Licht für die Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden und die Gesundheit der in Schulen arbeitenden und lernenden Menschen als zentrales Thema verankert. Damit entspricht man auch einem Vorschlag der EU, der besagt, dass alle Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz genauso der Verbesserung des Innenraumklimas für die Bewohner dienen sollen.
Während Überwärmung im Schulbau eine temporäre Anforderung für rund drei Monate pro Jahr darstellt, ist die Nutzung von Tageslicht im Sinne einer hohen Tageslichtautonomie ein Ganzjahresthema! Oft wurde in den letzten Jahren die Prävention gegen Überwärmung wichtiger genommen als eine gute Tageslichtversorgung.  Sogar Sonnenschutzglas kommt für Klassenfenster zum Einsatz – ohne zu bedenken, dass dadurch die Lichtversorgung, aber auch die Nutzung der Sonne fürs passive Heizen auf der Strecke bleiben. Mit Sonnenschutzglas alleine lässt sich eine Klasse allerdings nicht vor Überwärmung schützen, weshalb Be- und Verschattung immer mitzuberücksichtigen sind. Dazu kommt noch, dass Klassen bei Bedarf soweit abgedunkelt werden müssen, dass mit visuelle Medien gearbeitet werden kann. Gerstmann: „Also wieso teure Gläser einsetzen, die im Winter die kostenlose Sonnenwärme nicht optimal nutzen, die Lichttransmission verringern und eine Veränderungen des Tageslichtspektrums bewirken?“ Ob ein Glas das Tageslichtspektrum verändert, ist visuell meist nicht feststellbar, kann sich aber auf die biologischen Prozesse und das emotionale Empfinden des menschlichen Körpers auswirken!
„Dennoch ist es möglich, Schule so zu planen, dass auf Klimaanlagen oder Klimageräte verzichtet werden kann, um nicht die im Winter eingesparte Energie in der warmen Jahreszeit wieder zu vergeuden und dabei zudem noch das Sick Building Risiko in Kauf zu nehmen“, ist Gerstmann überzeugt. Um die erforderliche thermische Behaglichkeit zu gewährleisten, kommt es einerseits auf einen möglichst niedrigen Energieeintrag untertags,  sowie eine gute Abfuhr der im Gebäude gespeicherten Wärme in der Nacht an.
Variabler außenliegender Sonnenschutz ist die beste Methode, die Wärme vom Gebäude untertags fernzuhalten. Alle anderen Formen einer Kühlprävention, wie beispielsweise Überstände, reduzieren den Lichteinfall und sind zudem an Ost- und Westfassaden unwirksam.

Planungsgrundsätze der ÖISS-Richtlinie für die Belichtung
Bei der Planung ist aus didaktischen, betriebswirtschaftlichen, psychologischen und biologischen Gründen eine größtmögliche Ausnutzung von natürlichem Licht anzustreben. Die ÖISS-Richtlinie verfolgt einen modernen ganzheitlichen aber einfachen Ansatz für eine gute Tageslichtversorgung und die darin enthaltenen Empfehlungen optimieren zugleich die Energiebilanz von transparenten Bauteilen. Neben dem bedarfsgerechten Managen solarer Energie wird erstmals auch die Ressource Tageslicht mitberücksichtigt. Die ÖISS-Richtlinie zeigt, dass es keinen Widerspruch darstellt, guten Schutz vor Überwärmung und optimale Tageslichtversorgung unter einen Hut zu bringen.

 *) Lisa Heschong fand in ihren Studien heraus, dass Schüler – über ein Schuljahr gemessen ­– in Klassenzimmern mit besserer Tageslichtversorgung Mathematiktests durchschnittlich um 20 % schneller und Leseaufgaben um 26 % rascher erledigen
Das World Green Building Council hält im 2013 veröffentlichten Buch „The Business Case for Green Building” zudem fest, das Tageslicht zu besseren Testergebnissen führt (5 bis 15%).
Die Wirkung von Tageslicht wurde 2017 in einer klinischen Studie von der Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg bestätigt. Demnach leiden Schüler in Klassen mit guter Tageslichtversorgung weniger an Tagesschläfrigkeit, ihr Arbeitstempo ist höher und Tageslicht wirkt signifikant stressreduzierend!

 **) Über das OISS
Das ÖISS wurde 1964 auf Empfehlung der UNESCO gegründet und ist als Fachinstitut in Planungsfragen des Schul- und Sportstättenbaus tätig. Als Stiftung des Bundes und aller Bundesländer hat das ÖISS die Funktion einer national und europaweit verbindenden und vernetzenden Plattform. Aufgabe des ÖISS ist es unter anderem, Grundlagen für die Planung, den Bau und den Betrieb von Schulen zu erarbeiten. Der Arbeitskreis Schulraum hat das die Richtlinie 5 "Natürliche Belichtung und künstliche Beleuchtung" überarbeitet und mit Februar 2018 veröffentlicht.
Zielgruppen des ÖISS sind Planer, Schulbauträger (Bund, Länder, Gemeinden Sportvereine udgl.)

 Foto: © iStock/Lise Gagne