Mehr Wert durch weniger Hitze: Sonnenschutz als wirtschaftlicher Faktor in der Immobilienbranche
Wien, im April 2025_ Während die Sommer immer heißer werden, gewinnt ein oft unterschätztes Element der Gebäudeausstattung zunehmend an Bedeutung: der Sonnenschutz. Was früher hauptsächlich als ästhetisches Element oder einfacher Blendschutz diente, entwickelt sich heute zu einer wirtschaftlich und ökologisch wichtigen Investition. Der Bundesverband Sonnenschutztechnik (BVST) verweist in diesem Zusammenhang auf aktuelle Untersuchungen: Sie zeigen, dass Beschattungsmaßnahmen wie Fassadenmarkisen, Raffstores und Rollläden nicht nur das Raumklima verbessern, sondern auch den Wohnwert einer Immobilie messbar steigern können.


Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In der Wiener Innenstadt wurden 2024 bereits 53 Tropennächte verzeichnet – also Nächte, in denen die Minimumtemperatur zwischen 18 Uhr des Vortages und 6 Uhr des aktuellen Tages nicht unter 20°C fällt. Im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961-1990 hat sich ebenso die Anzahl der Sommertage (Temperaturen über 25°C) von durchschnittlich 54 auf 97 Tage pro Jahr erhöht. Parallel dazu stieg auch die Anzahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30°C stieg von 10 auf 52 Tage. *)
Diese Entwicklung führt zu einer rasant steigenden Nachfrage nach Kühlung. In nur vier Jahren (2018 bis 2022) ist der Bestand an Klimageräten in österreichischen Privathaushalten um etwa 50 % gewachsen. Bis 2030 wird eine weitere Verdoppelung erwartet. DI Fuad Salic, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik: „Diese kurzfristige Lösung ist jedoch problematisch: Mobile Klimageräte und Split-Anlagen verbrauchen viel Energie, erhöhen die Stromrechnung erheblich und tragen durch ihre Abwärme zusätzlich zur städtischen Überhitzung bei.“
Sonnenschutz als nachhaltige Alternative
„Wir müssen von kurzfristigen Lösungen zu nachhaltigen Alternativen übergehen", betont Jelena Vidović, Immobiliensachverständige für Liegenschaftsbewertung. In ihrer Analyse zeigt sie, dass Beschattungsmaßnahmen eine effektive und wirtschaftliche Alternative zu energieintensiven Klimageräten darstellen.
Die Stadt Wien hat dies erkannt und fördert die Nachrüstung von Sonnenschutzanlagen mit bis zu 1.500 Euro. Das Österreichische Institut für Bautechnik (OIB) hat zudem in seiner Richtlinie 6 strengere Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz festgelegt.
Eine aktuelle Computersimulation des Ingenieurbüros für Energie- und Umwelttechnik - e7 GmbH untersuchte verschiedene Beschattungsmaßnahmen und ihre Auswirkungen auf Raumtemperatur und Kühlenergiebedarf. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Sonnenschutzanlagen können die maximale Raumtemperatur um bis zu 3,2°C senken. Diese Temperatursenkungen führen zu einer drastischen Reduktion der Überhitzungsstunden (Stunden mit Temperaturen über 26°C) von 2.470 auf bis zu 1.264 Stunden pro Jahr. Der erforderliche Kühlenergiebedarf sinkt je nach System um bis zu 71 %!
Wirtschaftlicher Nutzen von außenliegendem Sonnenschutz
Eine wegweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH 5 Ob 224/13x) von 2014 hat den Weg geebnet, um energieverbrauchsverbessernde Maßnahmen als wohnwertsteigernd anzuerkennen und mit einem Zuschlag zum Richtwertmietzins zu honorieren. Im Zusammenhang damit quantifiziert die vorliegende Studie den wirtschaftlichen Nutzen der Einsparungen. Dies basiert auf den „fiktiven Energiekosten zum Zeitpunkt der Berechnung" – also den Kosten, die ohne Beschattung für die Kühlung mittels Klimagerät anfallen würden und stellt somit einen für alle Beteiligten fairen Wert dar.
Für Vermieter*innen und Investor*innen amortisiert sich die Investition in Sonnenschutzanlagen damit innerhalb weniger Jahre. Die Mieter*innen wiederum profitieren nicht nur von einem behaglicheren Raumklima, sondern von deutlich reduzierten Energiekosten für die Kühlung.
Historisch bewährt, ästhetisch ansprechende Aufwertung – und mit enormem Nachrüstungspotenzial
Wie historische Abbildungen von Carl Schütz (1745-1800) und Rudolf von Alt (1812-1905) zeigen, waren Markisen, Fensterläden und andere Sonnenschutzelemente schon immer Teil des Wiener Stadtbilds. „Als Architekt und Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik würde ich es sehr begrüßen, wenn Sonnenschutzanlagen – in jeglicher Form – wieder verstärkt ins Wiener Stadtbild, aber auch in das anderer Städte Einzug finden würden. Neben ihrem funktionalen Nutzen zur Reduktion sommerlicher Überwärmung lockern sie auch das Fassadenbild auf, verleihen Gebäuden mehr Charme und bringen Dreidimensionalität in das Fassadenbild. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn die Stadtbildgestaltung solche Elemente künftig vermehrt zulässt – zumal sie historisch immer präsent waren,“ erklärt Salic.
Allein in Wien gibt es über 13.494 Gründerzeit-Zinshäuser mit rund 150.000 Wohnungen, die zwischen 1848 und 1918 errichtet wurden und vom Richtwertsystem erfasst sind. Bei durchschnittlich sechs Fenstern pro Wohnung ergibt sich ein Nachrüstungspotenzial von etwa 900.000 Fenstern. Hinzu kommen weitere 390.000 Fenster aus etwa 65.000 Wohnungen in parifizierten Gebäuden, die ebenfalls unter das Mietrechtsgesetz fallen.
Win-Win-Situation für alle Beteiligten
Von dynamischem, außenliegendem Sonnenschutz profitieren alle Beteiligten:
- Die Mieter profitieren von höherem Wohnkomfort, geringeren Energiekosten und einem gesünderen Raumklima
- Die Vermieter können die Investition über den Mietpreis amortisieren und steigern den Wert ihrer Immobilie.
- Die Umwelt wird durch reduzierten Energieverbrauch und weniger CO2-Emissionen entlastet.
- Das Stadtbild gewinnt durch die ästhetische Aufwertung der Fassaden.
Mit der Zunahme heißer Tage und Tropennächte wird der Sonnenschutz von einer optionalen Ausstattung zur Notwendigkeit. Die gute Nachricht: Die Investition rechnet sich – für Eigentümer*innen, Mieter*innen und Umwelt gleichermaßen.
*) Quellen bmk Infothek und https://uwz.at/de/a/rekord-an-tropennaechten-sommer-2024-endet-mit-hitze
Bilder:
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Über den Bundesverband Sonnenschutztechnik
Der Bundesverband Sonnenschutztechnik ist der Dachverband der österreichischen Sonnenschutzindustrie. Kooperationspartner sind u. a. klimaaktiv, Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie (IBO), Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), Dienstleister Energieeffizienz und Contracting Austria (DECA), Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich, Plattform Innovative Gebäude Österreich und Lichttechnische Gesellschaft Österreichs (LTG).
Der Verband repräsentiert 20 Mitgliedsbetriebe mit insgesamt über 1.500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Er sichert mit einer Wertschöpfung von ca. 800 Mio. Euro an die 10.000 heimische Arbeitsplätze vor allem im gewerblichen Bereich.
Der BVST ist Gründungsmitglied des Europäischen Dachverbandes ES-SO (European Solar Shading Organization), zu dem 27 Mitgliedsverbände zählen. Verbandsweit ermöglichen alle mit Sonnenschutz verbundenen Leistungen (bis hin zu Montage und Serviceleistungen) Arbeitsstellen für 400.000 Angestellte und Arbeiter, die einen Gesamtumsatz von ca. 15 Milliarden Euro erwirtschaften. www.bvst.at